Verläuft nicht unser Leben in Stationen,
bringt es uns oftmals nicht in Situationen,
die meistens auch noch völlig unerwartet,
ob positiv, ob negativ geartet?
Hat dann das Schicksal Freud und Leid auch noch verkehrt,
fragt sich der Mensch, was ist das Leben ihm noch wert!
Welch schlimme Zeit hatte uns einst geboren,
was hab'n an Lebensglück die Eltern doch verloren.
Wie könnten wir es jemals ganz ermessen?
Das Schlimmste wäre, all das zu vergessen.
Wir durften froh bisher doch unser Leben leben,
denn Frieden, ja, der wurde uns gegeben!

So will ich hier dafür nun Verse finden,
das Heitre mit dem Traurigen verbinden.
Doch frage ich beim Dichten und beim Lesen,
wie hätt's könn'n sein, wenn's anders wär gewesen!

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Wir lebten recht und schlecht so nach dem Krieg,
drei Jahre Vati uns dann doch erhalten blieb.
Das Schuften in der Glashütte war schwer,
und der Direktor schätzte ihn so sehr,
dass er es zu verhindern wusste,
dass Vati in ein Arbeitslager musste.

Die andern Kriegsgefangnen wurden interniert,
zur Arbeit in den Kohlengruben überführt.
Als einziger blieb er in Kunzendorf zurück,
zusammen warn wir so, doch trog uns unser Glück!

Oft kam es vor, dass sie des Nachts ihn holten,
weil die Maschinen im Betrieb nicht laufen wollten,
er musste Teile ganz erneuern, so war's klar,
dass er des Morgens öfter erst zu Hause war.

 

 

 

 

 

 

 

 


Es war dann auch normal in jener Nacht,
als man angeblich ihn in die Fabrik gebracht,
doch als er nicht zurück war spät am Morgen,
da machte Mutti sich schon ernsthaft Sorgen.

Sie fragte nach dann beim Direktor Unterberg,
der sagte nur ganz kurz, ihr Mann sei nicht im Werk.
Er ward von ihm auch nicht geholt zur Nacht,
hätt' keine Rep'raturarbeit gemacht,
er wüsste nichts, er könnt es nicht verstehen.

Was half es ihr, sie musste wieder gehen.
So kam's, dass sie nicht wusste fast ein Jahr,
wer ihn geholt, und wo der Vati war!
Die Situation muss uns erst werden hier bewusst,
wie konnte leben sie mit dem Verlust?

Als 38 jähr'ge Frau nun ganz allein
in Polen mit vier Kindern noch zu sein,
die Sprache war ihr fremd, wie sollte sie ihn finden,
den Aufenthalt von Vati gar ergründen.
In der Fabrik, sie hüllten sich in Schweigen,
Entgegenkommen durften sie nicht zeigen.

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So mussten insgeheim den Plan sie fassen,
ohne Gefahr die DDR nun zu verlassen,
mit Handgepäck nur, einfach so zu fliehn
jetzt in die Freiheit, hin nach West-Berlin.
Jedoch ganz wenig Freunde sie um Hilfe baten,
wie schnell wurd damals so ein Fluchtplan ja verraten!
So fuhrn wir also dann am nächsten Morgen
zur Grenze hin, in Angst und voller Sorgen,
ich seh uns noch in dem Abteile sitzen,
wie Vatis Stirn perlend begann zu schwitzen,
als dann der Grenzer unsre Pässe sichtet
und seinen Blick vom Bild so auf den Vati richtet
und suchend dann im Pass noch blättert und ihn wendet,
dazu die unsren, wie das hier wohl endet,
dacht ich dabei, wenn die nun etwas ahnen,
dass wir den Weg uns in die Freiheit bahnen,
wir würden als Familie, das konnt ich schon wissen,
für immer auseinander wohl gerissen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ja, Vati hätten sie erneut dann angeklagt,
weil er die Republikflucht hatte doch gewagt.
Sie hätten Mutti ebenso verhaftet,
das hätten beide nimmermehr verkraftet.
Mit uns, den Kindern hätt' man's so gemacht,
man hätt' in Heime einzeln uns gebracht!
Die Konsequenzen wären schon so weit gegangen,
hätt' an der Grenze in dem Zug man uns gefangen,
und dass das Vati auch ganz klar gewesen,
auf seiner schweißbeperlten Stirn war es zu lesen!

Hier sag ich jetzt, 's war gut, wie es gekommen,
dass mal das Schicksal hat den Weg für uns genommen!


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Denn wirklich zu gefährlich wäre es gewesen,
so einfach einen Fahrschein für die Bahn zu lösen.
Die Reise würde durch die DDR doch gehen,
es könnte also sehr leicht dann geschehen,
dass in dem Zug an den Kontrollgrenzstätten
die Grenzer Flüchtlinge verhaftet hätten!
Das Flugzeug, das uns dann nach Frankfurt bringen sollte 
und auf der Rollbahn drohend mir entgegenrollte,
war 'ne US-Maschine, hatte zwei Propeller,
als ich die sah, da ging mein Puls schon schneller.
Damit nun sollten wir jetzt also starten, 
ich konnte das schon gar nicht mehr erwarten.
Es waren circa dreißig Passagiere,
und als sich dann geschlossen hatt' die Türe
und jeder saß auf einem dieser Sitze,
begann der Lärm und langsam auch die Hitze,
die die Motoren mit Getöse nun erzeugten,
dass es schon da wurd übel manchen Leuten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir saßen längs, einander gegenüber
auf Blechschalen, und manchem wäre lieber
gewesen wohl ein ganz normaler Zug
als dieser harte, unbequeme, laute Flug!
Das Flugzeug hob schwer rumpelnd von der Startbahn ab, 
und der Pilot gelassen dann den Ratschlag gab,
schön angeschnallt zu bleiben, und es wär empfohlen,
ganz ruhig nur zu sitzen und tief Luft zu holen!
Im Heck hoch aufgestapelt das Gepäck nun lag,
davor stand sichtbar noch ein Holzverschlag,
drin jaulte jetzt, als wäre nicht schon Lärm genug,
ein armer Hund erbärmlich laut, den ganzen Flug!
Man hatte vorsorglich noch einem jeden
'ne kräftig, große Tüte mitgegeben,
ich dachte erst, was soll ich damit machen,
doch sah ich bald, es war gar nicht zum Lachen,
mit einer Militärmaschine damals so zu fliegen,
war ganz und gar noch nicht das reinste Flugvergnügen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich saß nun auf dem Blechsitz, und schon ging es los,
fast alle hatten bald die Tüte auf dem Schoß!
So aufgeklappt war die noch nicht mal klein,
es gingen sicherlich zwei Liter da hinein.
Mir ging es gut, auch wenn es stickig, heiß und nass,
doch um mich rum wurd schon so mancher blass!
So sah ich, schräg mir gegenüber sitzend, 
'ne Frau, die Tüte fest umklammernd, schwitzend,
wie sie dann bald mit sich und ihrem Magen rang
und nicht zurück zu halten war der Drang:
Es ging in Schüben in die Tüte nun hinein,
jetzt wusste ich, warum die Tüte musste sein!
Den ganzen Flug ging's so, es war schon schlimm,
und als die Tüte voll, war in ihr nichts mehr drin!
Der Hund, er jaulte im Verschlag an seiner Kette
mit den Motoren weiter kräftig um die Wette,
die Leute warn genervt vom Krach und von der Enge,
so zog der Flug sich hin und in die Länge.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir sind gelandet dann nach einer guten Stunde,
Erlösung war's den Menschen und wohl auch dem Hunde!
Bis auf den Krach, die Hitze und die vollen Tüten da,
fand ich den Flug nach Frankfurt wirklich wunderbar.

Ich suchte dann noch lange drin zu bleiben
und wollte gern als Letzter auch aussteigen,
doch als ich dann die Treppe sollt hinuntergehen,
sah unten ich die Frau mit ihrer Tüte stehen.
Sie musste mit den Fingern sie am Rand halten sogar,
fast vollgefüllt sie nur noch so zu tragen war.
Um ihr zu helfen, gab es keine Stewardessen:
Die Frau mit ihrer Tüte werd ich nie vergessen!


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Ja, Krieg und Flucht riss früh die Eltern auseinander, in Polen war'n sie kurz nur beieinander,
durch die Verhaftung ihr erneut genommen war Vati für ein kurzes Glück dann nur gekommen.

Er floh mit uns, mit ihr wollt er hier glücklich sein, jetzt stand sie wieder da mit uns und doch allein.
Ein Schreiben gibt's, ein Wort, das trieb sie um, die Bonner Ärzte fragt' verzweifelt sie: "Warum!"
Warum war alles so, wie es hier ist zu lesen, wie hätt's könn'n sein, wenn's anders wär gewesen?

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