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Ihre rechte Wange ruhte an seinem Rücken. Gretl
wollte, angelehnt an den Freund, noch einmal in Ruhe
über das Erzählte nachdenken. Aber es gab keine Ruhe, denn das Rattern
des Motors, die Vibration,
dazu die Unebenheiten der Straße hielten das Motorrad und die darauf
Sitzenden, in unruhiger Erschütterung.
Rudl steuerte seine Zündapp sicher mit dem erregend wärmenden Körper in
seinem Rücken Trebnitz entgegen.
Ein wunderschöner Tag neigte sich; der patinagrüne Helm des Turms, die
Silhouette der Klosterkirche,
schillerten in der tiefer stehenden Sonne.Sie waren lange in dem etwas
verwilderten Park des zur Zeit leer stehenden
Schlosses Kraskow spaziert, hatten im hohen Gras Schnittchen verzehrt,
und während ihrer Erzählungen eine Flasche Rotwein geleert.
Er spürte ihre ihn umschlingenden Hände gefährlich nah, und er war
glücklich. Ihre Nähe löste Erregung aus, doch ließ die eng sitzende
Motorradkleidung dafür keinerlei Raum, sodass er hin und wieder etwas
genervt auf seinem Sitz herumrutschte.
Erregt hatte ihn auch diese Geschichte mit dem Baron. Sie hatte sein
Vertrauen eingefordert, ihm versichert, dass da nichts gewesen sei,
er müsse es ihr einfach glauben, in einer Partnerschaft oder Ehe sei das
gegenseitige Vertrauen das Wichtigste.
Das Zerwürfnis mit dem Baron werde sie ihm noch erklären, es sei ohnehin
kein Zusammenkommen möglich gewesen.
Er hielt in einer der Nebenstraßen, wie er es immer tat, um den Nachbarn
keinen unnützen Klatschgrund zu liefern. Sie aber drängte:
„Du kannst ruhig weiter bis vor die Haustür fahren, ich werde dich heute
Mutti vorstell´n.” „Wieso
heute?”, drehte er sich zu ihr,
„du hast mir nichts davon gesagt. Im Motorradzeug? So wie ich bin? Ich
wollte doch immer mit Blumen ...” „Nein,
heute ist es günstig.
Er schaute unter seiner Motorradkappe hervor, die Ohrenschützer mit den
schmal zulaufenden Halteriemchen hochgeklappt.
Er sah lustig aus, so würde ihre Mutter vielleicht sofort laut
loslachen. „Komm,
sie wartet, ich hab uns angekündigt!”
Agnes erwartete sie in der Tür stehend. „Da
seiter ja endlich”, war ihre Begrüßung. Sich abrupt umdrehend ging sie
voraus ins Wohnzimmer.
Immer
wieder aus dem Fenster schauend war sie in neugieriger Ungeduld gefangen
im Zimmer umhergelaufen. Gleich sollte sie diesen Rudl sehen. Von oben
nur hatte sie ihn damals vor der Haustür gesehen, als sie ihn mit dieser
unsinnigen Wasser-attacke verscheucht hatte.
„Soll ich
mich bei ihm entschuldigen?ˮ, fragte sie sich. Nein nein, am Besten wäre
es wohl, gar nichts mehr zu sagen.
Da stand er also, kleiner als der Baron, auch als Gretl? Etwas dicklich
– doch nein, das bewirkte wohl der Motorradanzug –,
sich leicht verlegen die fettigen Haare glatt streichend. Nein, er
schwitzte. War er aufgeregt? Sie war aufgeregt.
Seine ausgestreckte Hand kam mit ihm näher. Die blauen, klaren Augen
trafen sie direkt, sodass sie plötzlich glaubte,
sich doch entschuldigen zu müssen. Ein leichter Diener, leitete seine
Begrüßungsworte ein: „Ich freue mich
wirklich, mich Ihnen heute endlich,
liebe Frau Niedergesäß, mit diesem Besuch bekannt machen zu dürfen.”
Lächelnd hielt sie seine Hand.
Viel länger als er es für nötig erachtete. Ihr Gesicht schien ihm
freundlich, doch störte das leicht vorstehende Kinn
ein wenig die Ebenmäßigkeit ihrer Züge, gab deren Ausdruck
vielleicht etwas Verbissenes oder gar Verschlagenes.
Sie verunsicherte ihn. „Ach was”, hörte er ihre Stimme.
„Setzt euch, ich brüh schonn mal n Kaffe."
hat ja lang genuch gedauert. Ihr wolltet
doch schonn vor ner halb´n Stunde hier sein.”
Wie sie ihn denn nennen sollte,
wollte sie wissen. Sie würde ihn einfach mit Rudl anreden.
Sie könne ja auch
jetzt keinen Einfluss mehr nehmen, wenn Gretl so sehr von ihm überzeugt
sei.
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