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		Das Krachen der schweren Tür hinter ihm brachte Rudl erst wieder richtig 
		zur Besinnung.  
		Er war doch eingeschlafen, das hatte ihn geärgert. Es war alles sehr 
		schnell gegangen. 
		Unversehens fand er sich in diesem Verschlag wieder mit der krachenden 
		Tür im Rücken.  
		Sich geschockt umdrehend sah er noch, wie sich zwei Schließbolzen, von 
		außen mit einem kräftigen Ruck angeschoben,  
		in das jeweilige Loch des steinernen Türrahmens bohrten. Er war in einem 
		Gefängnis. Sein Auge suchte in die fahle 
		Düsternis zu dringen. 
		In der rechten Ecke, neben der Tür, stand ein Holzeimer mit einem 
		Deckel. In der Längswand hing an zwei Scharnieren eine ausgeklappte 
		Pritsche, die von zwei Ketten gehalten wurde. Die Stirnwand unterbrach 
		als Fenster direkt unter der Decke eine etwa 50 mal 50 Zentimeter große 
		Aussparung. Von der linken Wand, gegenüber der Pritsche, ließ sich ein 
		Brett herunterklappen, das als Tisch zu benutzen war, indem man sich 
		auf die Pritsche setzte. In der verbleibenden Ecke stand ein Hocker mit 
		einer Waschschüssel und einem Krug daneben. „Aufstehen! 
		Mitkommen!” 
		Er wurde unsanft an der Schulter gerüttelt. „Wieso, was ist, ich bin 
		unschuldig”, stammelte Rudl. Es war derselbe Wärter, der ihn wieder 
		durch die 
		Gitter schleuste. Er schob ihn wortlos in ein kleines Büro, drückte ihn 
		barsch auf den Stuhl vor dem hölzernen Tisch. Ein 
		Uniformierter erschien, 
		der sich als Unterleutnant 
		Jan Orzeszyna 
		vorstellte und  verlas 
		in leitlichem Deutsch einen bereits ausgefüllten Vordruck:  
		            
		„Festlegung zur vorläufigen Verhaftung. Unter Berücksichtigung, 
		dass Hiltschera Rudolfori, geboren in Oklitz, am 1. 1. 1905  
		                
		in der Vernehmung wichtige Hinweise gegeben hat, auf ausgeführte 
		Verbrechen nach Artikel: 7 Dekret vom 13.6.1946  
		                         
		Anwendung einer vorbeugenden Haft bis: 23. Juni 1949.    Breslau, den 23. 
		März 1949 Prokurator Wojskowy” 
		An einem schönen Tag, wie er gleich feststellen sollte, öffnete 
		„sein” Wärter die Zellentür, legte den Finger auf die Lippen und 
		bedeutete ihm 
		mitzukommen. Sie gingen die Eisentreppen hinunter durch die Gatter, dann 
		öffnete sich knarrend eine schwere Tür, und plötzlich stand er 
		geblendet, die verkniffenen Augen konnten es kaum wahrnehmen, in einem 
		kleinen Hof.
		„Eine halbe Stunde”, flüsterte der 
		Wärter und verschwand. 
		Rudl stand minutenlang wie gebannt, blinzelte aufgewühlt, um die 
		entwöhnten Augen in dem neu zu erfassenden Licht öffnen zu können.  
		Er winkelte die flache Hand an die Stirn. Langsam zeigte sich ihm ein 
		dreieckiger Hof, von Mauern umgeben, die im tiefblauen Himmel  
		verschwanden, in den, auf dem rechten Mauersims klebend, die Sonne hell 
		hineinstrahlte, welche aber gehindert durch eben diese Mauer  
		nur noch ein Drittel des Sandbodens erreichte. Rudl merkte, im 
		Mauerschatten stehend, dass nur seine Stirn von den Strahlen erreicht 
		wurde.  
		Er wich langsam zurück, spürte mit jedem Schritt, den er rückwärts aus 
		dem Schatten heraustrat, wie die Wärme sich, am Kopf beginnend, über 
		seinen Körper bis zu den Füßen ausbreitete. Ein nie erlebter Strom des 
		Wohlbehagens durchflutete ihn. Seine Augen füllten sich, einmal durch 
		die Glut des Lichtes und zum anderen durch dieses unverhoffte Erleben 
		von Luft, Wärme und Sonne. Er sog diese Luft ein, stieß sie wieder 
		hinaus,  
 um erneut damit die Lungen zu füllen, streckte beide Arme lang in den 
		Himmel und hätte seine Wonne fast laut herausgeschrien.  
    Er schloss die Augen und genoss die so nie erlebten Gefühle. 
		Bald spürte er, wie die Sonne sich hinter dem Sims neigte.  
      Der Schattenrand hatte den Sockel der 
		gegenüberliegenden Wand, an der er stand, erreicht, und die 
		Sonnenstrahlen  
        konnten seine Füße nicht mehr wärmen. 
		Sich gegen die Mauer lehnend fühlte er im Rücken und mit seinen  
          flach aufliegenden Händen 
		die warmen Steine. War das die Sommersonne?  
             Es 
		musste schon Ende August sein. Er hatte kein Zeitgefühl mehr. Fünf Monate musste er nun hier sein, 
		 
               fünf Monate hatte er keinen Himmel, 
		keine Sonne gesehen, keine reine Luft mehr geatmet.  
		 
		 
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